Interview „BASSIVE“ Mathias Weiss „Salzburger Fenster“, 2016

Götter am Mischpult: Können DJs heutzutage noch etwas?

0 6. Oktober 2016 Schlagwörter: Bassive, DJ, EDM, Elektronische Musik

Götter am Mischpult: Können DJs heutzutage noch etwas?

Zehntausende Fans pilgern alljährlich zum Electric-Love-Festival am Salzburgring. Für sie bedeutet es das Paradies, andere sehen darin ein ohrenbetäubendes Spektakel, eine Anhäufung von Selbstdarstellern, denen die Show alles bedeutet. In Zeiten von Vinyl war klar: Ein DJ muss sein Handwerk  beherrschen. Wie sieht das heute aus?

Heute spielt die Technik alle Stücke. Sogar Superstar David Guetta steht im Verdacht, nur noch ein Knöpfchen zu drücken, und die Musik läuft. Der Rest sei Show. Wie auch immer: Fehler will sich in dieser Liga keiner  erlauben,  es steckt viel Geld dahinter. Die Electronic Dance Music (EDM) ist eine Massenindustrie.
Worauf kommt es heute eigentlich noch an, um als DJ Erfolg zu haben?

„Er muss Kontakte pflegen, braucht einen eigenen Stil, ein gutes Gespür für die Musik und Glück“, sagt Jan Tobi. Der 25-jährige Grödiger legt unter dem Namen DJ Jean Philippe seit Jahren im Friesacher Stadl auf, im Sommer bespielt er Clubs im Party-Hotspot Ibiza. Flirten übers Mischpult hinweg? Das gehöre  dazu, lacht er. Seit Kurzem ist er auch Resident-DJ im Citybeats, einem neuen In-Club im Sternbräu. Er legt Deep House und Tech House auf, das werde  in den besten Clubs von Berlin bis Ibiza gespielt. Die Salzburger seien verschlossen, weiß er, er wolle das ändern: „Diesen Trash von Radiomusik hört man  eh die ganze Zeit.“

Es gibt sie noch, die echten Handwerker im Untergrund

Zwei, die vom Kult um den DJ wenig halten, sind Mathias Weiss (33) und Sunil Narda (37), bekannt als DJ Diaz  und  Audi0pille (siehe Bild). Weiss ist einer der Initiatoren der Tubeklub-Reihe. Die beiden zählen sich zum Underground und wollen die DJ-Kultur mit ihrer neuen „Bassive“-Reihe zurück zu den Wurzeln führen. So wie einst in den Bars von Jamaika soll der DJ auf Augenhöhe mit dem Publikum stehen. Und er werde nicht einfach sein Ding durchziehen, sondern mit Live-Musikern und Sängern zusammenarbeiten.

Jamaika? Ja, die Ursprünge der elektronischen Musik liegen im Reggae-Land, erklärt Weiss: „Die Menschen konnten sich keine Bands leisten und begannen, Platten abzuspielen.“ Zentrales Element waren sehr basslastige Soundsysteme. So nennt man  die Musikanlage, die zu Gehör bringt, was der DJ so treibt. Sie spielt beim „Bassive“ eine gewichtige Rolle: Weiss und Narda sind nämlich Teil des Stereofreezed-Soundsystem-Kollektivs.  Dieses hat  sein Soundsystem selbst gebaut. Warum es nicht einfach kaufen? „Ein Soundsystem ist wie ein Instrument, jedes klingt anders“, sagt Weiss.

Dass für die beiden auch das Auflegen Handarbeit ist, versteht sich da von selbst. Seit Jahren geben sie ihr Wissen auch in Workshops an Jugendliche weiter, gelernt haben die beiden noch mit Vinyl. „Heute gibt es schon Boxen um 100 Euro,  die die Übergänge zwischen den Songs automatisch steuern. Das ist doch  keine Kunst mehr“, kritisiert Narda. Die Hauptarbeit des DJs liege aber in der Vorbereitung. Ein guter DJ kenne jede Nummer, die er spielt, auswendig,  „Du hörst ja gleichzeitig zwei Songs. Jenen, der laut aus den Boxen kommt, und jenen, den du gleich abspielen wirst, im Kopfhörer. Das erfordert Konzentration, die Übergänge müssen sitzen.“

Wie sieht es eigentlich aus mit dem Potenzial im eigenen Land? DJs aus Salzburg hätten einen guten Ruf, wissen die beiden. Der Nachwuchs gehe oft weg, Salzburg sei zu konventionell. Mit Dorian Concept oder Camo & Krooked mischen Salzburger auch international mit. Und DJanes? Es gibt sie, wenn auch deutlich in der Unterzahl.  Mel vom Wordpowersound-Kollektiv fühlt sich als Frau in der Männerdomäne aber nicht weniger wertgeschätzt: „Die meisten DJanes hören einfach auf, weil sie eine Familie gründen. Es ist ja doch ein Nachtbusiness.“

Von Petra Suchanek

Hier legen DJs auf: BASSIVE – We are Soundsystem Culture: Start: 15. Oktober, ARGEkultur: Hosts: DJ Diaz & Audi0pille. Mit: DJ Spinn, Mesck, Stereofreezed Soundsystem

Source: https://www.salzburger-fenster.at/2016/10/06/goetter-am-mischpult-koennen-djs-heutzutage-noch-etwas/

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